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Bad Lauterberg im Harz

NS-Zwangsarbeit

Zeitgenössische Quellen – obgleich lückenhaft – zeigen deutlich, dass ausländische ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangene im Raum Bad Lauterberg flächendeckend beschäftigt wurden, und zwar zahlenmäßig am meisten in der Industrie, im Bergbau sowie der Bauindustrie. Über die Jahre waren es insgesamt mehr als 4.000 Personen. Mit Abstand stammten die meisten aus der ehemaligen Sowjetunion, gefolgt von Italien, Belgien und Polen. Unter ihnen befanden sich auch viele jüngere Arbeiter sowie knapp 90 Kinder, darunter mindestens 33 Neugeborene.

„Ostarbeiterin“ Olga Lissowa, geb. 1922 in Dobrowolje oder Dobrowolno/a, Russland (Stadtarchiv Bad Lauterberg) 

Ihr Zwangsaufenthalt in Bad Lauterberg war gekennzeichnet von einer restriktiven Gesetzgebung, kriegsbedingtem Mangel, harter Arbeit und der Unterbringung in meist hygienisch mangelhaften und überfüllten Gemeinschaftslagern. Die hohe Sterblichkeitsrate spiegelt dies wieder: Rund 160 Todesfälle sind bekannt, die meisten durch Krankheit, sieben nachweislich durch Erschlagen bzw. Erschießen. Untergebracht waren die Arbeiter in 22 größeren Lagern. Kleinere Lager gab es darüber hinaus in 13 Hotels, Gaststätten und Sanatorien. Bei kleinen Betrieben und als Haushaltshilfen erfolgte die Unterbringung manchmal auch privat. Im Nachfolgenden können nur die größeren ‚Arbeitgeber’ im Raum Bad Lauterberg; nicht alle können im Nachfolgenden genannt werden.

Landwirtschaft und Forst

Ein Einsatzgebiet der ausländischen Zwangsarbeiter war die Landwirtschaft. Größter ‚Arbeitgeber’ war hier die Domäne Scharzfels bei Barbis (13 polnische und sowjetische Zwangsarbeiter). Im dortigen Lager waren darüber hinaus Zwangsarbeiter weiterer Betriebe untergebracht.

Auch zu Forstarbeiten im Raum Bad Lauterberg wurden ausländische Arbeiter herangezogen. So etwa die zehn in einem Wohnwagen in der Lutterstraße, Kupferhütte, untergebrachten Zwangsarbeiter der Göttinger Fa. Faserholz GmbH. Im Jahr 1941 ebenfalls französische Gefangene, die am Bahnhof in Scharzfeld (Herzberg) untergebracht waren. Das Forstamt Bad Lauterberg verfügte darüber hinaus über mindestens neun Zivilarbeiter aus Italien, die im Gemeinschaftslager „Hauxkopf“ des Metallwerks Odertal (s.u.) untergebracht wurden, und über eine nicht bekannte Anzahl russischer Kriegsgefangene aus dem Lager Sportplatz.

Handwerk und Industrie

Weitaus größere ‚Arbeitgeber’ waren die Rüstungsbetriebe Metallwerk Odertal GmbH und Otto Schickert & Co. KG in Odertal. Im Metallwerk arbeiteten zwischen 1942 und 1945 rund 1.900 Ausländer aus 13 Nationen, rund 70% von ihnen Frauen. Mit Abstand die meisten ArbeiterInnen stammten aus der Sowjetunion. Untergebracht waren sie in den zwei 1942 errichteten Lagern Metallwerk/Hauxkopf (zwischen heutiger L 520 und Sperrlutter) und Odertal/Reichsstraße, das oberhalb des heutigen Gasthauses Kreihe beim Bahnhof Odertal gelegen war. Auch andere Betriebe nutzten diese beiden Lager zur Unterbringung ‚ihrer’ Zwangsarbeiter, so die Fa. Kuhlmann, das Forstamt Lauterberg und die Schickert-Werke. Die maximale Belegstärke des Lagers Hauxkopf lag bei 2.000 Personen, das Lager war zudem für seine skrupellose Lagerleitung und Wachleute berüchtigt. Aus beiden Lagern der Metallwerke sind mehrere Todesfälle bekannt. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Gelände der Metallwerke und seines Zwangsarbeiterlagers das Werk II der Deutschen EXIDE GmbH.

 



links: Postkarte (Vorderseite) der Zwangsarbeiterin Anna Oleinik aus dem Lager „Hauxkopf“ 1943; rechts: Baracke des Lagers Odertal / Reichsstraße (Stadtarchiv Bad Lauterberg)

  

 

Die benachbarte Firma Otto Schickert & Co. KG beschäftigte auf ihrer Firmenbaustelle und in der Produktion über die Jahre insgesamt 750-790 ausländische Arbeiter aus 15 Nationen, auch hier v.a. aus der Sowjetunion, aber ebenso aus Italien und Belgien und anderen Ländern. Beispielsweise arbeiteten zwischen Oktober 1944 und Januar 1945 100 Limburger aus den Niederlanden, die anschließend in den Zweigbetrieb nach Rhumspringe (Gieboldehausen) versetzt wurden, für den Betrieb. Die Zwangsarbeiter waren in den Gemeinschaftslagern Hauxkopf (s.o.) und Schickert Werke/Fa. Hochtief AG untergebracht; letzteres lag nebenan an der heutigen Deta-Straße. Die genauen Zusammenhänge der ab 1938/39 mit Reichsgeldern gebauten Fabrik waren streng geheim – hier wurde hochkonzentriertes Wasserstoffperoxyd für die Wehrmacht hergestellt. Nach Kriegsende wurde das Gemeinschaftslager an der Deta-Straße zuächst als Flüchtlingslager genutzt, danach bis 1960 als Übergangsräume für Wohnungssuchende und Obdachlose. Die demilitarisierten Fabrikationshallen wurden teils an Gewerbebetriebe vermietet und 1992 abgerissen.

Gemeinschaftslager Schickert-Werk / Fa. Hochtief AG (Stadtarchiv Bad Lauterberg)

Die Hoch Tief AG in Odertal und die Firma Mühlenbau & Industrie AG (MIAG) in der Scharzfelder Straße nahe des Bahnhofs Bad Lauterberg beschäftigten jeweils insgesamt rund 200 ausländische Arbeiter – jene der Hoch Tief AG stammten aus Italien und Belgien und waren im Gemeinschaftslager Schickert Werke/Fa. Hoch Tief AG untergebracht. Die sowjetischen, polnischen und französischen Zwangsarbeiter der MIAG lebten in einem Lager auf dem Betriebsgelände in der Scharzfelderstraße sowie im Hotel Eichenkopf, Heikenbergstraße.

Im Zweigbetrieb der Wilhelmshavener Fa. Kuhlmann für Präzisionstechnik und Maschinenbau, Sebastian-Kneipp-Promenade, mussten 134 Ausländer aus der Sowjetunion und Belgien arbeiten. Sie waren im betriebseigenen Lager „Schützenplatz“ (zwischen Sebastian-Kneipp-Promenade und Oder) untergebracht, weitere im bereits genannten Gemeinschaftslager „Hauxkopf“. Bei dem Zweigwerk der Kasseler Motorenwerke Mook & Koop an der heutigen B27 (Scharzfelder Straße) arbeiteten insgesamt 69 ausländische Zwangsarbeiter, die im benachbarten Gemeinschaftslager Jugendherberge, Drahthüttenweg 8, lebten.

Gebäude rechts: Lager Jugendherberge (Stadtarchiv Bad Lauterberg)

Zahlreiche weitere Industriebetriebe in Lauterberg ließen während des Krieges ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene für sich arbeiten, darunter die Deutsche Baryt Industrie nahe des Bahnhofs von Bad Lauterberg (mindestens 81 Personen aus der Sowjetunion, Polen und Italien; Unterbringung im Lager Zollweg auf dem Firmengelände sowie in den zwei Lagern Ölmühle/Lutterstraße und Scharzfelder Bhf.), die Eisengießerei Königshütte und die Westfälische Maschinenbau-AG in der Hüttenstraße (63 sowjetische bzw. 72 sowjetische und französische Arbeiter, die im Lager „Koldung“, Am Kalten Born, lebten) sowie die Firmen Böhme KG und Schmetz (35 sowjetische, französische, italienische bzw. 13 französische und niederländische Arbeiter; untergebracht in einem Lager in der Lutterstraße 2).

Bei den Pinselfabriken Fa. Adler (betriebseigenes Lager in der Lutterstraße 26) und Fa. Wistoba (Lager auf dem Firmengelände an der heutigen B243 Barbiser Straße, Barbis) arbeiteten 40 bzw. 18 „Ostarbeiter“. Die Odertaler Kistenfabrik Haltenhoff unterhielt ebenfalls ein Zwangsarbeiterlager auf dem Firmengelände, sie beschäftigte 76 „Ostarbeiter“ und Franzosen.

Ferner mussten 62 Arbeiter aus Italien und den Niederlanden auf einer Baustelle der Fa. Heckmann in Osterhagen arbeiten sowie 15 Italiener auf einer Baustelle der Dresdener Fa. Grunewald in Bad Lauterberg.

Öffentlicher Sektor

Auch im öffentlichen Sektor wurden während des Krieges ausländische Zwangsarbeiter beschäftigt. Die Bad Lauterberger Stadtverwaltung in der Wissmannstraße ließ zehn Arbeiter aus der Sowjetunion, Frankreich und Serbien für sich arbeiten. Im Krankenhaus arbeiteten acht ausländische Pflegekräfte und Hausgehilfen, sie waren in einem Lager an der Heikenbergstraße untergebracht. Ferner trat die Reichsbahn ab 1944 als ‚Arbeitgeber’ auf: Sie beschäftigte mindestens 25 litauische Arbeiter, die am Bahnhof in Bad Lauterberg und – zumindest im Jahr 1944 – in einem Reichsbahnlager in Osterhagen untergebracht waren.

Bislang nachgewiesen werden konnten zudem folgende Kriegsgefangenenlager im Raum Bad Lauterberg: italienische Militärinternierte in der Oderfelderstraße gegenüber des Sägewerks in Barbis, italienische Militärinternierte sowie serbische Gefangene im Lager Dreymanns Mühle auf dem Betriebsgelände in der Barbiser Straße 72; russische und französische Gefangene waren am Sportplatz in der Lutterstraße, Bad Lauterberg, interniert. Der genaue Standort eines weiteren Kriegsgefangenenlagers ist heute unbekannt. Darüber hinaus waren Kriegsgefangene auch in folgenden Lagern untergebracht: Gemeinschaftslager Odertal/Reichsstraße (it. Militärinternierte) und Lager Ölmühle der Baryt-Ind. in der Lutterstraße und am Bahnhof in Scharzfeld, Herzberg (frz. Gefangene).

Eine Krankenbaracke für ausländische Arbeiter befand sich am Kupferroser Weg in Lauterberg, Ecke Justine Lüder Straße/Lutterstraße.

Neben Schikanierungen und Misshandlungen sind für Bad Lauterberg 14 Verhaftungen von italienischen und sowjetischen zivilen Zwangsarbeitern in den Jahren 1943/44 dokumentiert, die hauptsächlich Arbeiter der Schickert-Werke betrafen, darüber hinaus aber auch drei Arbeiter der Miag, einen der Baryt-Ind. und einen des Metallwerks Odertal. Letzterer starb nachweislich in einem sogenannten Arbeitserziehungslager (AEL).

Schließlich wurde zum Ende des Krieges auf die letzten ‚freien Arbeitskraftreserven’ zurückgegriffen – KZ-Häftlinge. Sie wurden hauptsächlich in der Rüstungsindustrie eingesetzt, in diesem Fall bei Gleisbauarbeiten für eine Ausweichstrecke der Reichsbahn zwischen Osterhagen und Nordhausen; die ursprüngliche Bahnstrecke sollte künftig allein für Rüstungszwecke zur Verfügung stehen.

 

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